Warum wir reisen pt. 3
Grund 1: Reisen wäscht den Staub des Alltags von der Seele ab.
Grund 1b: Offline-sein ist der neue Luxus.
Grund 2: Reisen ist ein Lehrmeister.
Grund 2b: Ruhe bewahren.
Grund 3: Sonnenuntergänge sind magisch, wertvoll & die echten Picassos.
Grund 4: Menschen sind besser als ihr Ruf – sie sind hilfsbereit.
Grund 5: Wunder geschehen.
Grund 6: Auf schöne Weise geweckt werden/aufwachen.
Grund 7: In Kuhscheisse treten bringt Glück.
Aus meinen Erinnerungen an den Sommer 2017 in Frankreich werde ich dezent von meiner Cali heraus gerissen.Vermutlich hatte ich ihr auf den letzten Kilometern unserer Fahrt zu wenig Aufmerksamkeit zu kommen lassen, so dass sie nun tatkräftig danach verlangte. Sie legte ihren Kopf auf meinen Schoß und genoss so die Fahrt, bis sie sich einige Minuten später wieder meldete: Okay, sie brauchte eine Pause, sie musste Pipi. Dabei waren wir noch nicht weit gekommen, wir hatten das Land noch nicht ein mal verlassen. Ich hielt also an einem Parkplatz an, der an einem Waldstück entlang der A5 lag und wir machten uns auf den Weg.
Grund 8: Das Hier und Jetzt genießen:
Meine anfängliche „Genervtheit“ ließ bald nach, als ich Cali beobachte, wie sie die Welt, die für uns jetzt grad neue Welt, entdeckte. Ich hatte die Wahl: Ich konnte genervt bleiben, mit einem vollen Kopf (schließlich hatte ich ja einen Plan, wann wir wo sein wollten oder wo wir übernachten wollten, ob wir es rechtzeitig schaffen würden und und und) oder es aber wie Cali machen: Das Hier und Jetzt genießen und den Moment zur Unendlichkeit werden lassen. Ich entschied mich für Letzteres und siehe da: Meine „Genervtheit“ verschwand langsam aber sicher und ich kam immer mehr im gegenwärtigen Moment an.
Grund 9: Neue Welten entdecken
Ich beobachtete Cali und wie interessant alles für sie war. Für mich waren es nur Gras und Stöcke, aber für sie waren es besondere Stöcke und ganz neues, besonderes Gras. Sie konnte in allem, was sie sah, hörte oder roch, etwas Neues entdecken. Sie konnte in jedem Stein einen Anlass zur puren Freude und Faszination entdecken. Und: Ihre Art, die Welt zu sehen, war ansteckend. Plötzlich ging es mir genauso: Ich entdeckte eine riesige Ameisenkolonie, wo vorher nur Steine für mich zu sehen waren. Je genauer ich hinsah, desto mehr bot sich mir dar: Farbenfrohe Käfer oder Falter, die sich im Gras versteckt hielten. Natürlich ist das auf Reisen im großen Stil möglich und jeder neue Ort scheint wie eine neue Welt zu sein, die es zu entdecken gilt. Cali lehrte mich in diesen Stunden, dass dies auch im Kleinen möglich ist und überall. So kehrten wir beide völlig entspannt zurück zum Auto und konnten die Fahrt in Richtung Süden fortsetzen.
Apropos neuer Ort… Wo war ich eigentlich stehen geblieben beim Schwelgen in meinen Erinnerungen von 2017? Genau: Kurz vor meinem Herzensort:
Mehr oder weniger zufällig fuhren wir vom Wald, in dem wir übernachtet hatten, auf direktem Weg Richtung Strand. Davon hatten Sebastian und ich noch keinen blassen Schimmer, denn wir sahen ja weder auf eine Karte noch auf’s Navi, wir wollten uns treiben lassen und da ankommen, wo wir ankommen sollten.
Grund 10: Sich treiben lassen.
Mit jedem Meter, den Sebastian und ich dem Strand näher kamen, konnten wir die Meeresluft riechen, was meiner Seele so gut tat. In mir wuchs eine fast schon kindliche Vorfreude, die ich mit meinem dicken Grinsen, was ich auf setzte, auch äußerlich kund tun musste. Und siehe da: Es kam ein Schild, auf dem stand: Mimizan-Plage. Zugegeben, alles was ich verstand, war „Plage“. Aber mehr musste ich auch nicht verstehen und unser „sich treiben lassen“-Plan war ein voller Erfolg: Wir waren in Mimizan-Plage angekommen, meinem Herzensort, wie sich später heraus stellen sollte.
Grund 11: Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl:
Wir fanden unseren Weg und landeten mitten im Städtchen auf einem grünen Parkplatz. Dort machten wir erstmal mitten auf der Straße, in voller Hippie-Manier, Mittagessen. Denn eins verband meinen Seelenbruder und mich: Essen! Wie schön war es, mal nicht darüber diskutieren zu müssen, warum man keine tierischen Produkte aß. Wir lebten einfach beide vegan und das war gut so.
Wir erregten wohl Aufmerksamkeit, denn die Franzosen lächelten uns an & wünschten uns „bon Appetit“, nachdem sie meinen alten T3 und uns begutachtet hatten. Gut, wir passten wohl in deren Bild einer verspäteten oder späteren Version der 68er Generation: Zwei barfüßige junge Menschen, die Grünzeugs mitten auf einem Parkplatz zubereiteten und dann noch „so aussahen“: Dreads und Tattoos.
Ich fühlte schon die ganze Zeit über, dass dieser Ort etwas Besonderes werden würde, dass es DAS Besondere werden würde, konnte ich noch nicht erahnen. Der Charme dieses Küstenörtchens war kaum zu übertreffen und schon der Weg dorthin ist, typisch französisch, verspielt und einfach nur wunderschön.
Wir liefen nach dem Essen eine kleine Straße nach oben, vor uns lagen die Dünen und: Der Ozean. Wir entschieden uns dann, um zu parken, so dass wir direkt am Ozean stehen und schlafen konnten, nur noch durch die Dünen vom Atlantik getrennt. Dann erkundeten wir das eigentliche Städtchen, weil wir, wie wir bereits heraus gefunden hatten, außerhalb des eigentlichen Ortskerns parkten. Der Stadtkern war deutlich touristischer und belebter: Viele kleine Läden und süße Cafés wechselten sich mit angesagten Bars, Restaurants oder Clubs ab. Es herrschte dennoch solch eine entspannte Stimmung, dass selbst Sebastian, der solche Orte für gewöhnlich mied und ich uns hier pudelwohl und keinesfalls überfordert fühlten. So geht es mir oftmals in Städten, danke an die Reizüberflutung.
Und nun kommt der Grund, weshalb dieser Ort zu meinem Herzensort wurde und dieser ist gleichzeitig:
Grund 12: Freunde finden
Wir standen abends am Auto, machten unsere Witze über die verschiedensten Dialekte Deutschlands oder versuchten diese nach zu ahmen. Als wir beim bayrischen Dialekt angekommen waren, sprang uns ein Kerl aus einer Gruppe Jungs, die in unsere Richtung liefen, förmlich an: Er hatte unseren Versuch, bayrisch zu sprechen, mitbekommen und zeigte uns, wie es richtig ging: Alex, ein waschechter Münchner. Mit ihm war Dario unterwegs, ebenso ein bayrisches Urgestein. Beide wurden von Fridi und Peter aus Österreich aufgesammelt, die eigentlich auf dem Weg nach Portugal waren. Allesamt waren wir zufällig hier gelandet und als dann noch Jan und Tobi dazu kamen, war unsere Mimizan-Gang 2017 perfekt. Unsere Tage verbrachten wir in der Regel zusammen, fast wie eine Familie. So gingen wir gemeinsam shoppen (und das ging nicht von mir aus!), musizierten miteinander, machten Yoga gemeinsam am Strand und erlebten die schönsten Sonnenuntergänge gemeinsam oder bereiteten regelmäßig das beste Essen der Welt abends vor: Danke an Peter, du sauguter Koch 🙂 Eigentlich war das so ziemlich meine Vorstellung von easy life, wenn da nur nicht das Geld wäre. Immer grätscht es irgendwie dazwischen. Sebastian und ich waren nämlich knapp bei Kasse. Aber mein Lebenskünstler-Bruder lehrte mich Folgendes:
Grund 13: Sorge Dich nicht ums Geld, es wird zu Dir kommen.
Wir mussten einen Weg finden, um an Geld zu kommen, so dass unsere mickrigen Reserven nicht angetastet werden mussten: Gesagt, getan! Wir stellten uns also gemeinsam mitten in die Stadt und musizierten: Er spielte Didgeridoo und wir fanden noch wen, der Hang spielte und ich? Ich tat das, was ich am besten konnte: Ich tanzte. Die Leute blieben stehen, sahen und hörten uns begeistert zu und am Ende des Abends hatten wir wieder genug Geld für die nächsten Tage, gute Gespräche geführt, neue Leute kennen gelernt und direkt noch ein Engagement für den kommenden Abend eingeheimst. Für das Leben auf der Straße vollkommen genug.
Das Gefühl der Verbundenheit und die echten Freundschaften, die hier entstanden, begleiten mich bis heute und zu allen aus der Gang habe ich auch immer noch häufig Kontakt. Auch wenn wir alle wieder recht weit voneinander entfernt leben und wirken, sind wir dennoch verbunden miteinander durch die gemeinsame Zeit, die uns jetzt in unseren Erinnerungen bleibt.
Grund 14: Am Ende sind es die Erinnerungen, die zählen!
Natürlich gäbe es noch viel mehr von diesem Trip zu erzählen, doch alles zu seiner Zeit.
Mimizan-Plage wurde auf jeden Fall auch dank dieser tollen Menschen, die ich kennen lernen durfte, zu einer Heimat für mich, zu der ich immer wieder zurück kehren werde.
Ganze 10 Tage lebten wir so gemeinsam, bevor wir uns alle trennen mussten. Wenn man so eng zusammen wächst, fällt das echt schwer. Doch der Wind trug uns alle in unterschiedliche Richtungen. Vorerst.
Denn in meinem nächsten Beitrag aus dieser Reihe, erzähle ich euch nämlich dann von einer unvorhergesehenen Wendung und der dadurch besten und lustigsten Heimfahrt EVER!
Bleibt dran!
Bis zum nächsten Mal!
Ahoi & Namasté
Kathi