Kalte Depression

Es kann jeden eiskalt erwischen.

Hallo liebe Leserin.

Der heutige Blogpost (24.01.2021) besteht aus meinen ganz persönlichen Erlebnissen aus den Jahren 2013 & 2014. Ich habe zu der Zeit aus einem ganz bestimmten Grund viel Tagebuch geschrieben, woraus auch dieser Blogpost heute entstand, ergänzt durch Anmerkungen von meinem heutigen Ich, das aus der kalten Depression herausgefunden hat. Es ist mir ein absolutes Herzensbedürfnis, Dir heute davon zu erzählen & vielleicht hilft es Dir in irgend einer Form weiter. Vielleicht fühlst Du Dich in meinen Worten wieder, so wie ich mich damals in den Worten meiner Yogalehrerin. Ich möchte allerdings nicht zu viel vorweg nehmen, lies gerne selbst:

Heute haben wir den 03.07.2014

und ich stecke mitten in meiner 2. Ausbildung zur „ganzheitlichen Yogalehrerin“. Unsere Lehrerin blickt tief in uns hinein & findet immer die richtigen Worte, die die anderen Teilnehmer und mich aufrufen, selbst auch tief nach innen zu schauen.

Und ich kann Dir sagen, Yoga ist kein Zuckerschlecken. Wer denkt, Yoga ist immer easy, man läuft nur mit einem Grinsen durch’s Leben…, der irrt. Denn vor alledem kommt zuerst das Aufräumen! Und das tut weh. Denn jeder schleppt ‚Dinge‘ mit sich rum – Verletzungen, Traumata oder Erfahrungen. Ja, manche scheinen sogar die ganze Welt auf ihren Schultern zu tragen.

Ich befinde mich gerade in solch einer Phase, denn ich räume auf. Vieles ist gerade nicht so toll, denn es kommt Einiges zum Vorschein. Meine Ausbildung zur Yogalehrerin ist für mich grade in erster Linie eine Art Therapie, Wegweiser bzw. ein Weg,  Ballast ab zu geben – aber auf keinen Fall habe ich jetzt das Ziel, gleich Yogastunden zu unterrichten und damit reich zu werden. Viel lieber wüsche ich mir mehr Tiefgang, mehr Verbundenheit und ja, mehr Liebe. Ich fühle, dass etwas aber nicht stimmt. Etwas will unter dem Teppich hervorgekrochen kommen, was ich darunter gekehrt hatte – und das schon eine Weile.

Anmerkung von heute, 24.01.2021:

Vielleicht hast Du ja meinen letzten Blogbeitrag über die Einsamkeit gelesen. Dieser entstand 2013, als Rückblick auf mein Leben und ich war, total unbemerkt, bereits in der Phase der kalten Depression.

Ich hatte all das umgesetzt, was ich mir scheinbar gewünscht hatte: Ich war Tänzerin, Tanzlehrerin & Choreografin und hatte zwei Tanzstudios. 2013 brachte ich gemeinsam mit meinen Tänzerinnen & Tänzern eine tolle, gewaltige, bunte und großartige Tanzshow auf die Bühne. Sie dauerte 3 Stunden und mehr als 300 Tänzer standen auf der Bühne, während ein Feuerwerk die Halle und die Bühne erleuchtete. Ich wuselte zwischen Kommandos erteilen, Moderation und tanzen hin und her und die Vorbereitung (inklusive Choreografie, Kostümideen, Kostümdesign, Bühnenbild, Musikauswahl, Musikschnitt, Feuerwerk, Einladungsgrafiken, Sicherheitspersonal, geeignete Location finden, etc…) blieb allein an mir hängen und dauerte gut ein Jahr. Am Ende der Show gab es tobenden Applaus und Standing Ovations von mehr als 1000 Menschen im Publikum. Wirklich alle waren glücklich, leuchtende Augen überall, strahlende Gesichter. Alle waren begeistert. Nur ich nicht. Ich stand auf der Bühne, um des Tänzers Lohn zu ernten und fühlte… NICHTS. Ich dachte, dass läge an der vorangegangenen Anstrengung. Doch auch nach Wochen und Monaten konnte ich noch nicht zurück blicken und stolz oder glücklich darüber sein.

Das hat mich grübeln lassen – und ich denke, dass ich die Erkenntnis, weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte, unter den Teppich gekehrt habe.

Heute ist Donnerstag, der 3. Juli 2014 – und eigentlich sollte ich happy sein, denn heute ist mein Lieblings-Tanztag, mit ganz vielen tollen Tanzcrews, die ich unterrichten darf. Aber das bin ich nicht, denn die Erkenntnis von 2013 kriecht unter dem Teppich hervor. Langsam und schleichend überkommt mich dieses dunkle Gefühl. Es fühlt sich an wie das „Nichts“ aus dem Film „Eine unendliche Geschichte“, das ganz Phantasien aufzufressen drohte und nur Bastian konnte ganz Phantasien retten. „Nein, das kann nicht sein. Ich doch nicht. So lebensfroh, wie ich bin. Das kann nicht sein.“ Doch die Erkenntnis ist da und geht nicht mehr weg: Ich bin depressiv. Irgendwie. Und ich stecke da bereits sehr lange drin. 2013 während des Applauses auf der Bühne, habe ich bereits gefühlt, dass da was ist, hatte jedoch keine Kraft, mich dem zu stellen. Doch heute prangert das Wort vor meinen Augen, so hell wie ein Stern: Depressiv!

Samstag, 05.07.2014:

Ich zweifle noch immer. Ich kenne depressive Menschen, es muss etwas anderes sein. Ganz sicher! Ich recherchiere und spreche mit meiner Yogalehrerin und durch sie erfahre ich zum ersten Mal von der „kalten Depression“, meinem persönlichen „Nichts“, das mein eigenes „Phantasien“ auszulöschen drohte…, wenn ich nichts dagegen unternehmen würde. Ganz genau: Ich. Ich selbst bin mein eigener Bastian, ich selbst kann mein Phantasien retten und das wollte ich, mehr als alles andere.

Ein – anhand meiner eigenen Erfahrung – Erklärungsversuch der kalten Depression:

Zunächst möchte ich Dir gern mitteilen, was ich darüber erfahren habe. Ich möchte Dir sagen, dass es jeden treffen kann und dies auf keinen Fall bedeutet, dass man dumm oder bescheuert ist.

Den Begriff Burnout kennen die meisten Menschen, so geht es mir auch, aber von der kalten Depression habe ich bis zu dem Gespräch mit meiner Yogalehrerin noch nichts gehört:

Die kalte Depression gilt als Vorstufe zum Burnout und ‚sorgt dafür‘, dass der Lebenssinn verloren geht. Und genau das war es, was mich so berührte und mir bewusst machte, ich durchlebe genau das: Ich hatte im Jahr 2013 abgeschlossen mit dem Tanzen, mit meiner Tätigkeit, mit meinem Geschäft, als ich da auf der Bühne stand, denn der Applaus bedeutete mir in diesen Minuten nichts. Vielmehr fragte ich mich, was nun noch kommen sollte. Ich stehe ja schon ganz oben. Mir fehlte der Sinn, der Lebenssinn. Dieses Wort schlug ein wie eine Bombe.

Durch das lange Gespräch mit meiner Yogalehrerin ist mir klar geworden, dass der Abend auf der Bühne nur der Auslöser dafür war, dass mir bewusst zu werden begann, was los war. Aus Angst habe ich es unter den Teppich gekehrt: Ich habe aufgehört, mich selbst zu fühlen. Ich habe die Grenzen meines Körpers und meiner Seele überhört, nur um die beste und größte Tanzschule in meiner Region zu haben. Gut. Geklappt, aber zu welchem Preis? Burnout ist mehr ein Prozess und die kalte Depression ist die, meist unbemerkte, Vorstufe.

Und ich bin die klassische Kandidatin!

Ich fühle mich unverbunden, unverstanden, tot. Habe niemanden zum Reden, bzw. Niemanden, der verstehen oder mich ernst nehmen würde.

Vom heutigen Standpunkt aus kann ich sagen, ich habe immer mehr gemeistert, gekämpft und haschte einem Erfolg nach dem anderen hinterher. Gut, es hat geklappt. Man hat mir mal gesagt, dass man als Steinbock, was mein Sternzeichen ist, die Möglichkeit hat, die größten und höchsten Gipfel zu erklimmen. Den Preis, den man dafür bezahlen muss, der war mir zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht bekannt. Und dass es so wie mir vielen gehen kann, wird mir mit jedem Moment, den ich darüber nachdenke, bewusst. Denn ist es nicht so, dass man immer mehr macht und meist immer schneller, weiter oder höher hinaus will? Beruflich wie privat? Ist doch so. Die Quantität wird erhöht, auf Kosten der Qualität. Nämlich der Lebensqualität. Ich habe gelernt, dass ich den Blick für’s Ganze verloren und mich nur noch über das Tanzen definiert habe oder darüber definieren ließ. Hab mich gleichzeitig aber gefragt, warum sehen die Menschen nicht, dass ich viel mehr bin und auch kann. Und mit den Jahren des Kampfes (der viel weiter zurück geht und in meiner Kindheit bzw. meiner Familie zugrunde liegt) wich die Freude an meiner Selbständigkeit immer mehr dem Müssen, so dass ich eigentlich nur noch hinterher hechtete. Ohne Bewusstsein und Gespür für mich, ohne jegliche Achtsamkeit mir als Ganzes gegenüber, ohne Glücklich-Sein, ohne den Moment genießen zu können, denn meine Gedanken waren immer schon beim nächsten: Job, Tag, Plan, Auftritt oder Unterricht. Konstante Abarbeitung meiner ganz persönlichen To-Do-Liste. Und mein buntes Phantasien ergraute immer mehr und das „Nichts“ verwandelte es in dunkle Einöde. Ich fühlte mich permanent unter Druck. Unter Druck gesetzt, um wettbewerbsfähig zu bleiben, um mit den sich rasant entwickelnden neuen Tanztrends mithalten zu können. Spürte aber nicht, dass ich mir selbst den größten Druck machte, ständig perfekt abliefern und perfekt sein zu wollen.

Der Name „kalte Depression“ kommt daher, dass wir kalt sind, wie tot. Denn wir fühlen uns selbst nicht mehr, haben die Verbindung zu uns selbst verlorenen spüren nicht mehr, was uns gut tut oder dass wir Grenzen überschreiten.

Geh Du voran“, sagte die Seele zum Körper.
„Auf mich hört sie nicht.“
„Okay“, antwortete der Körper.
„Ich werde krank werden.
Dann muss sie hören.

Gerry Spence

Geh Du voran“,
sagte die Seele zum Körper.
„Auf mich hört sie nicht.“
„Okay“, antwortete der Körper.
„Ich werde krank werden.
Dann muss sie hören.

Rückblick:

Meine Grenze in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2014 waren meine Füße. Unter größten Schmerzen habe ich dennoch weiter gemacht. Morgens konnte ich kaum auf den Füßen stehen. IBU Profen löste das Problem irgendwann für mich. Denn Pillen schlucken war einfacher, als unter den Teppich zu schauen.

Fragen:

Kennst Du das vielleicht schon?

Wie oft tust Du Dinge, auf die Du keine Lust hast oder die Dir gar widerstreben?

Warum tust Du es? Weil Du Dich nach Anerkennung oder Liebe sehnst?

Wie gut schläfst Du?

Wie regelmäßig schläfst Du?

Sonntag, 06.07.2014:

Mir ist klar: Ich habe mir immer mehr berufliches aufgeladen, zu wenig Altes verarbeitet und unter dem Teppich hervorgeholt. Alte Wunden, familiäre Wunden, wahrscheinlich schon über Generationen alt und weiter getragen, lasten irgendwie auf mir, ohne dass ich sie wirklich richtig benennen kann. Bisher ging ich den Fragen lieber aus dem Weg, als sie zu beantworten. Lenkte mich lieber mit tollen Reisen oder Konzerten oder oder oder ab. Ich hatte wenig Zeit des süßen Nichtstuns. Jetzt weiß ich: Es ist die Nahrung der Seele. Ich weiß, der permanente Aktionismus, also immer am Tun zu sein, das tötet die Seele. Das macht mich unempfänglich für Gefühle zu mir, meinem Tun und letztlich auch für die Gefühle zu meinen Mitmenschen. Und ich wundere mich tatsächlich noch, warum meine Beziehungen in die Brüche gehen?

Mir wird heute klar, dass ich lange lange Zeit schon über gewisse Grenzen gehe und lange Zeit schon den Kontakt zu mir verloren habe. Denn die körperlichen Signale sind schon da: Fernsporn an beiden Füßen, beginnende Arthrose im linken Fuß, Rückenschmerzen, chronische Müdigkeit, Blähbauch, Nervosität, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und vor allem: Immer rascher verschwindende Lebensfreude. Ich sehe keinen Sinn mehr in dem  was ich tue und bin. Meine Kreativität ist auf ein Minimum reduziert.

Anmerkung vom 24.01.2021: Den meisten Menschen um mich herum fiel das mit der verschwundenen Kreativität nicht auf, da ich noch immer viel viel kreativer war als sie selbst oder ihnen so vorkam, so sagten sie mir das, nachdem sie den Post grade „Probegelesen“ haben.

Montag, 07.07.2014:

Ich beginne aktiv, dem entgegen zu wirken und entschließe mich, mein zweites Tanzstudio noch vor den kommenden Sommerferien zu schließen. Ich habe keine Ahnung, wie das finanziell klappen soll, aber auf körperlicher und seelischer Ebene kann es so wie jetzt gerade auf gar keinen Fall mehr weiter gehen.

Ich stelle einen Plan auf, wie ich mein Phantasien retten konnte:

  • Annehmen der Situation
  • Darüber sprechen, falls das nicht geht:
  • Tagebuch führen, gerne auch kreativ gemalt, beklebt…
  • Dadurch mehr Bewusstsein schaffen und dadurch wieder mehr Achtsamkeit in meinen Alltag integrieren.
  • Explizit auf Ernährung achten! Kein Zucker!
  • Sport! Viel in der Natur sein!
  • Yoga! Täglich!
  • Meditation! Täglich!
  • Fokus halten & nicht mit den Gedanken abschweifen, sondern bei der Sache bleiben!
  • Nur noch die wichtigen Dinge erledigen und öfter mal nein sagen!
  • Bewusst die Punkte abarbeiten, die unter dem Teppich hervorgekrochen kommen!
  • Diese kontinuierlich angehen!
  • Zuhause ausmisten!
  • Jeden Tag mindestens 10.000 Schritte gehen!
  • Jeden Tag 3 Liter trinken, Wasser oder Tee.
  • Viel mehr von den Dingen tun, die mich glücklich machen! (SUP & Surf)
  • Beobachten, ob das, was ich tue, mir Freude bereitet! Alles andere: Weg!
  • Einmal pro Monat: Thai-Massage, Therme oder ähnliches.
  • Wieder mehr genießen!
  • Mehr mit Freunden machen!
  • Auch alte Freundschaften wieder beleben!
  • Ex-Freunden verzeihen!
  • Fehler verzeihen, auch die eigenen!
  • Dankbarkeit kultivieren – aufschreiben, was mich dankbar sein lässt, täglich
  • Mehr auf meinen Bauch hören!
  • Auf die Signale und „Zufälle“ des Lebens hören.
  • Zur gleichen Uhrzeit schlafen gehen und dabei auf den Körper hören!

Dienstag, 08.07.2014:

Ich stehe auf mit dem guten Gefühl, wieder Verantwortung für mich übernehmen zu wollen, mein Potential zu entfalten und mich selbst anzunehmen. Als Kathrin. Nicht als die Tanzlehrerin oder so.

Meine Lösung: Herausfinden, wofür ich mich zukünftig engagieren möchte. Für was ich brenne, für was ich kämpfen möchte.

Nachtrag vom 30.12.2020:

Heute ist mein Geburtstag und ich habe viele alte und ältere Blogpost-Entwürfe von mir durch gelesen. Dieser hier liegt mir besonders am Herzen.

Solltest Du Dich wieder erkennen oder sollte Dir einiges daraus bekannt vorkommen, zögere nicht, Dir Hilfe zu holen! Schau, was wirklich wichtig ist. Und vor allem: Rede darüber & friss nichts in Dich hinein!

Ich habe heute wieder Lust am Leben. Ich weiß noch immer nicht, worin meine Bestimmung liegt. Aber es macht mir nicht mehr ganz so viel aus, denn ich weiß, sie wird mich finden. Das Leben mit all seinen Nuancen und all den Teilnehmern darin bedeutet mir wieder etwas. Ich fühle mich nicht mehr klein, sondern Teil von etwas Ganzem, Großartigem. Ich erlebe die Liebe gerade in verschiedenen Formen und habe wieder viele „alte“ Freunde in meinem Leben. Wenn ich schlechte Tage habe, gehe ich meinen Schlachtplan wieder an. Denn das Leben birgt viele Hindernisse. Heute gebe ich mehr acht auf mich und wie ich auf solche Hindernisse reagiere. Außerdem hilft mir dabei immer ganz viel Yoga und Pranayama aus dem Kundalini-Yoga (gerne empfehle ich Dir hierzu eine gute Übung in einem persönlichen Gespräch via Zoom oder vermittle Dir eine/n tollen Kundalinilehrer/In in Deiner Nähe für die Zeit nach Corona).

Ich weiß, dass Corona gerade eine sehr herausfordernde Zeit ist. Die Angst beherrscht große Teile der Welt und wir sind abgeschnitten von der Außenwelt und vom Miteinander. Dies legt vieles, was im Argen ist offen und kann sehr schwer sein oder weh tun. Das passiert ganz einfach dadurch, dass wir alle gerade eine intensive Zeit durch machen und viele plötzlich ganz viel Zeit haben, Zeit zuhause verbringen und Zeit zum Nachdenken und Nachspüren haben, was denn wirklich wichtig ist im Leben. Sollten bei Dir alte und unverarbeitete Dinge hoch kommen, sei bitte sanft im Umgang mit Dir und Deinen Gefühlen und nutze die Chance, diese zu verarbeiten bzw. anzugehen und letztendlich aufzulösen!

Alles Liebe

Kathi